»Ich sehe die Dinge aus einer anderen Perspektive. Und das macht es interessant.«
Wer im Rollstuhl sitzt, bekommt manchmal die seltsamsten Dinge zu hören: »Toll, dass du trotzdem rausgehst!«- »Kannst du Sex haben?«»Kann man da noch was machen?« – »Darfst du betrunken Rollstuhl fahren?« - »So hübsch und dann im Rollstuhl!«
Frei von Selbstmitleid, mit entwaffnender Selbstironie und ebenso tiefsinnig wie unterhaltsam erzählt Laura Gehlhaar Geschichten aus ihrem Alltag auf vier Rädern – mit allem, was dazugehört.
Da ich keine Berührungspunkte zu behinderten Menschen habe bzw. auch nicht zu jemandem im Rollstuhl, habe ich gedacht, dass ich mich mit diesem Buch mal ein bisschen in die Welt eines Rollstuhlfahrers hinein begeben möchte. Immerhin kann ich bisher nicht nachvollziehen wie diese manche Situationen bewältigen. Ich habe mir hier erhofft zu erfahren wie deren Alltag aussieht und wie Außenstehende mit Rollstuhlfahrern am besten umgehen sollten.
Allerdings lässt mich das Buch etwas zwiegespalten zurück. Zum einen fand ich es großartig wie Laura uns in ihrem Buch ein Einblick in ihr Leben gibt. Wir lesen über schwierige Alltagssituationen, ihr Liebesleben, ihre Familie und Freunde. Sie zeigt, dass auch sie ein ganz normaler Mensch ist, der den Großteil aller Dinge selbstständig erledigen kann. Nur, dass sie dabei eben nicht geht, sondern fährt. Es gab Schilderungen von Situationen in dem Buch, die mich wirklich haben sprachlos werden lassen. Traurig wie viele Menschen mit Behinderten umgehen. Die Autorin weist in dem Buch deutlich daraufhin, dass es politisch gesehen behinderte Menschen einfach schwieriger haben. Zum Beispiel werden viele von ihnen einfach in ein Heim geschickt, bei dem sie tagtäglich den gleichen Ablauf haben und nie genug Geld verdienen würden um sich wenigstens halbwegs ein eigenes selbstständiges Leben aufbauen zu können. Manche Dinge machen hier wirklich sehr nachdenklich.
Andererseits muss ich sagen, dass die Autorin mich innerhalb einiger Kapitel allerdings sehr unsicher gemacht hat. Wie soll ich denn nun mit Rollstuhlfahrern in Zukunft umgehen. Sie macht hier viele Vorwürfe, aber zeigt meiner Meinung nach nicht richtig auf wie wir es besser machen können. Sie erzählt welche Sätze sie ständig zu hören bekommt, welche verschiedenen Blicke ihr zugeworfen werden. Und irgendwie findet sie alles nicht in Ordnung. Welche Fragen darf man denn nun stellen? Und wie soll man jemanden im Rollstuhl denn anschauen? Mich hat es teilweise so verunsichert, dass ich nach dem Lesen des Buches gar nicht mehr wirklich weiß wie ich mich verhalten müsste. Ich finde es sehr traurig, dass Laura hier so viel über nicht Rollstuhlfahrer herzieht. Wenn man keine Berührungspunkte hat, wie soll man dann wissen wie man sich verhalten soll? Zum Beispiel sagt sie auch, dass sie keine Lust mehr auf Fragen von ‚nervigen‘ Kindern hat. Aber ja, auch ich würde meinen Kindern sagen, dass sie den Rollstuhlfahrer bitte selbstständig fragen sollen. Ich kann diese doch nicht richtig beantworten. Also wie gesagt, mich lässt das Buch irgendwie ein bisschen unzufrieden zurück.
Zum einen wirklich lehrreich, zum anderen bleibt für mich
allerdings die Frage offen: „Wie verhalte ich mich denn nun in Zukunft in
Gegenwart eines Rollstuhlfahrers?“
3 / 5 Glues
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